Hanballumschau NW Bielefeld (02.11.05)

 

Wir sind wieder wer

Beim Oberliga-Spitzenspiel der TSG springt seit langem mal wieder der Funke auf die Zuschauer über

VON GREGOR WINKLER

 

 

Am 31. Oktober im Jahr 1517 soll Martin Luther die 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg geschlagen haben. Damit leitete er den Prozess der Reformation ein. 488 Jahre später erlebten die Bielefelder Handballfans die möglichen Auswirkungen einer anderen Umgestaltung. Zwar ist, im Gegensatz zum Lutherischen Werk, die Bielefelder Handball-Reformation von geringer welthistorischer Bedeutung, aber in der heutigen Zeit freut sich jeder bereits über die kleineren Aufbrüche.

 

Es waren zum Beispiel die Fans der TSG Altenhagen-Heepen, die am Sonntag die Heeper Sporthalle mit einem Hochgefühl verließen. Die „Wir sind wieder wer“-Stimmung hat ja im deutschen Sport eine gute Tradition. Stolz und zufrieden pilgerten die Getreuen des höchsten Bielefelder Handballklubs nach Hause, in der Gewissheit, an diesem Abend trotz verkaufsoffenen Sonntags und herrlichen Sonnenuntergangs am richtigen Ort gewesen zu sein.

 

Auch wenn die Reihen auf der voll ausgefahrenen Tribüne zu Beginn des Spiels noch spärlich besetzt waren, wehte bereits ein Hauch von Aufbruchstimmung durch die teilrenovierte Arena. Die Trommler waren wieder da, und nach und nach füllten sich die Sitzbänke. Nach drei siegreichen Spielen der TSG war der Tabellenzweite Eintracht Oberlübbe ein würdiger Herausforderer. Beide Teams blieben nichts schuldig.

 

Auch wenn auf beiden Seiten gerade zu Beginn zahlreiche technische und individuelle Fehler auftraten, entwickelte sich ein packendes, kampfbetontes und sehenswertes Handballspiel. Die Schiedsrichter, die zunächst mal zwei Spielbälle abgelehnt hatten, und durch einige unverständliche Pfiffe den Unmut der Fans auf sich zogen, drückten dieser Partie keinen falschen Stempel auf. „Ich fand sie gar nicht schlecht. Man konnte sich doch auf sie einstellen“, wollte Falk von Hollen nicht auf die Referees schimpfen. Auch Verlierer Dieter Löffelmann hielt sich mit Kritik an den Männern in schwarz zurück. „Bielefeld hat verdient gewonnen. Sie haben vor eigenem Publikum so gekämpft, wie man das eben bei Heimspielen muss. Das war eine tolle Leistung“, lobte das Oberlübber Traineroriginal.

 

Apropos Publikum: Das war ja in der zurückliegenden Saison nicht gerade verwöhnt worden. Entsprechend zurückhaltend verlief die Wiederherstellung einer würdigen Heimspiel-Atmosphäre. Doch an diesem Abend schien der Funke wieder über zu springen. „In der letzten Minute stehen wir auf“, rief ein Fan, und prompt erhob sich die Halle zu „Standing Ovations“. Alle wussten, dass sie nach mageren Jahren jetzt wieder ein Team haben, dass sie zurecht feiern können.

 

Und nicht nur in Heepen weht ein neuer Wind. Natürlich gehört der TuS 97 Bielefeld-Jöllenbeck auf die Liste, wenn es um den „neuen“ Erfolgshandball in Bielefeld geht. Auch wenn sich die werfende Zunft (noch) von der vierten Liga abwärts tummelt, so reißt die begeisternde Art, wie Bielefelds Teams auftreten, viele Fans mit.

 

Wann hat es zuletzt eine Bezirksliga-Staffel mit drei Bielefelder Teams unter den ersten Vier gegeben? Und wann siegten alle heimischen Bezirksligisten am selben Spieltag? Die exakte Beantwortung dieser Fragen ist weniger wichtig, als vielmehr die Feststellung, dass es am vergangenen Spieltag seit langem mal wieder so war. Man möchte nicht zu früh zu viel jubeln – auch dass ist sicher ein deutsches Phänomen. Doch der bisherige Saisonverlauf lässt hoffen, dass es sich bei der vergangenen Spielzeit um den vorläufigen Tiefpunkt im heimischen Handball gehandelt hat.

 

Die Zeichen stehen in vielen Spielklassen auf Aufbruch. Wann, wenn nicht jetzt, dürfen sich alle Beteiligten den verdienten Applaus abholen? Es muss ja nicht der letzte sein. Der Handball in der OWL-Metropole scheint nach harten Jahren reformiert. Und das ganz ohne 95 Thesen an einer Hallentür.

 

© 2005 Neue Westfälische

Bielefelder Tageblatt (MW), Donnerstag 03. November 2005

 

 

 

 








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