Handballumschau NW Bielefeld (10.11.05)

 

Höhenangst beim Drahtseilakt

Reserve des TuS 97 verliert in der Bezirksliga ein bereits gewonnen geglaubtes Spiel gegen die TG Schildesche

VON IVO KRAFT

 

 

Schon die alten Römer wussten, dass das Volk mit Brot und Spielen unterhalten werden wollte. Was für die Römer der Circus Maximus war, ist für den Jöllenbecker gut 2.000 Jahre später die Realschulhalle. Alle zwei Wochen löst das Handball-Volk Eintrittskarten für die Vorstellungen des TuS 97.

 

Vergangenen Samstag allerdings klappte die Raubtierdressur mit Dompteur Frank Brennecke nicht besonders. Das dominante Alpha-Männchen Ralf Bruelheide fletschte zwar mehrfach publikumswirksam die Zähne (14 Tore) und auch der knuffige Nachwuchs (Duderstadt, Grothaus, Herholt) verzückte gelegentlich. Ansonsten waren die Protagonisten der Manege recht träge. Die beiden imposanten Braunbären „Marcus“ und „Moppel“, die sich das Raubtierpodest im Jöllenbecker Tor teilen, setzten ihre Furcht einflößenden Pranken weniger geschickt ein als sonst, und auch manch anderes Rudelmitglied verweigerte die Torejagd.

 

Obwohl die Vorstellung mit dem 38:34 gegen Stemmer noch ein Happy-End fand, waren alle Beteiligten vergrätzt. „Natürlich fragt man sich, was man verkehrt gemacht hat, wenn es nicht läuft“, sagte Brennecke. Gelegentlich schalte sein Ensemble zu sehr zurück. „Dann kassiert man gegen einen nie aufsteckenden Gegner auch mal vier, fünf Tore in Folge.“ Die Zuschauer verlangten zwar nicht ihr Geld zurück, zeigten sich jedoch mit ihren Kommentaren bissiger als zuvor die Raubtiere.

 

Denkbar ist, dass die negativen Schwingungen von den Sitzreihen abfärbten. Der Funke jedenfalls sprang nicht über, so dass sich Protagonisten und Publikum seltsam fremd blieben. Brennecke: „Es fällt uns nicht in den Schoß, jeden Gegner mit 15 Toren zu schlagen.“ Des Zuschauers Erwartungshaltung suggeriert allerdings genau das. Klare Siege werden höhnisch der Konkurrenz zugerechnet, Lob für das oftmals so ansehnliche Tierensemble gibt es selten. Dabei ist der Applaus des Publikums doch der schönste Lohn für einen Artisten.

 

Entschädigt für die mäßige Raubtiershow wurden die Zuschauer mit der folgenden Nummer, der überaus spannenden Hochseilakrobatik in der Bezirksliga zwischen dem TuS 97 II und der TG Schildesche. Immer wieder versuchten die Akteure, sich gegenseitig in den Abgrund zu schubsen.

 

Besonders Sebastian Piepers leichtfüßiger Tanz auf dem Jöllenbecker Drahtseil imponierte den Schildeschern. So hingen die Gäste nach mehreren Fehltritten zur Pause strampelnd mit nur noch einer Hand am Seil. Gepeinigt von plötzlicher Acrophobie (Höhenangst) traute sich in der zweiten Hälfte kein Jöllenbecker mehr in die oberste Etage, während die Schildescher angeführt von Ingmar Wächter und David Battré auch ohne Netz und doppelten Boden wagemutig ihre Kunststücke präsentierten. Nach dem Erfolg über den TuS 97 liebäugeln die Schildescher nun sogar mit einem Wechsel in die Landesliga-Artistenschule.

 

Wahre Zuschauermassen hatten sich zur Kreisliga-Vorstellung von Eintracht Gadderbaum II eingefunden. „Zumindest waren es mehr als beim letzten Heimspiel, nämlich fünf. Und einer hat kurz durch die Tür geschaut“, hatte Nils Pfeiffer mitgezählt. Schade nur, dass die Hauptattraktion ausfiel. Die schon seit Wochen stattfindende Spieler-Jonglage des Magiers und Illusionskünstlers aus den Heeper Fichten, Friedhelm Siefert, fand nicht statt.

 

Sieferts Crew fühlte sich schlicht verschaukelt. Die Gadderbaumer hatten einer Verlegung der Show nicht zugestimmt und argumentierten, dass Ost/Fichte Wettbewerbsverzerrung betreiben würde. Die Ostler schimpften, dass die HSG II aus Gier auf die Punkte die gebotene Fairness missachtet hätte. Ein Großteil der Konkurrenz ist allerdings auf Seiten der Gadderbaumer. „Dann müssen sich eben Spieler aus der zweiten und dritten Mannschaft festspielen“, sagte Schildesches Uwe Hundhausen, während die Abstiegskonkurrenz argumentiert, dass die ausgefallenen Spiele bald nachgeholt werden müssten. Fakt ist, dass sich Ost/Fichte ein neuerliches Fernbleiben nicht erlauben kann. Ein zweites Mal würden die Zuschauer (und auch der Handballkreis) eine ausgefallene Zirkusvorstellung nicht goutieren.

 

 

© 2005 Neue Westfälische

Bielefelder Tageblatt (MW), Donnerstag 10. November 2005

 

 

 

 








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